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FOKUS Corporate Governance: Erstmalige Abstimmung zum Vergütungsbericht – Eine Analyse der Hauptversammlungs-Saison 2022

Im Jahr 2022 stand bzw. steht für die große Mehrheit der börsennotierten Unternehmen in Deutschland nach § 120 a (4) AktG erstmalig die Abstimmung des nach § 162 AktG erstellten und geprüften Vergütungsberichts für Vorstand und Aufsichtsrat durch die Aktionäre auf der Hauptversammlung an .

Diese neue Anforderung geht auf die Umsetzung der zweiten EU Aktionärsrechterichtlinie in deutsches Recht (ARUG II) zurück. Die Abstimmung zum Vergütungsbericht ist für das Unternehmen nicht bindend.

Bereits im Vorfeld der erstmaligen Anwendung gab es von Seiten vieler Experten deutliche Kritik an den neuen Regelungen. Dabei ging es insbesondere um zwei Themenfelder:

  1. Fehlende Vergleichbarkeit der Vergütungshöhen zwischen den Unternehmen: Durch den Wegfall der Mustertabellen im Deutschen Corporate Governance Kodex und dem Fehlen einer alternativen Regelung ist zwar der Detailierungsgrad in den einzelnen Vergütungsberichten gestiegen, eine unternehmensübergreifende Vergleichbarkeit der dargestellten Vergütungshöhen ist allerdings kaum mehr möglich.
  1. Abstimmung als Druckmittel der Aktionäre: Die Aktionäre könnten – in Jahren, in denen das Vergütungssystem nicht zur Abstimmung steht – alternativ die Abstimmung zum Vergütungsbericht dazu nutzten, um ihre Kritik an den Vergütungshöhen bzw. am Vergütungssystem selbst zu artikulieren und so Druck auf die Unternehmen bzw. den Aufsichtsrat auszuüben, mit dem Ziel eine Veränderung der Vorstandsvergütung zu erreichen.

Eine Analyse der Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlungs-Saison 2022 der DAX-Unternehmen, die besonders im Fokus von Aktionären und Stimmrechtsberater stehen, zeigt folgendes Bild:

  • 36 der 37 deutschen DAX-Unternehmen haben auf der Hauptversammlung 2022 über den Vergütungsbericht abstimmen lassen
    • Airbus S.A.S., Linde plc und Qiagen N.V. sind keine deutschen Unternehmen und unterliegen somit auch nicht dem deutschen Aktiengesetz
    • Bei der Infineon Technologies AG hat das betreffende Geschäftsjahr vor dem 31.12.2020 begonnen, wodurch eine Abstimmung zum Vergütungsbericht im Jahr 2022 noch nicht verpflichtend ist
  • Bei 34 der 36 Unternehmen wurde dem Vergütungsbericht durch die Aktionäre zugestimmt
    • Lediglich die Aktionäre der Bayer AG und der HelloFresh SE haben den Vergütungsbericht abgelehnt
  • Die durchschnittliche Zustimmungsquote lag bei 83,7 %
    • Ohne die Bayer AG und die HelloFresh SE lag die durchschnittliche Zustimmungsquote sogar bei 86,7 %
    • Bei 17 der 34 Unternehmen (50 %) lag die Zustimmungsquote oberhalb von 90 %, lediglich bei fünf Unternehmen (15 %) lag die Zustimmungsquote nur zwischen 50 % und 75 %

Die insgesamt hohe Zustimmungsquote zeigt, dass die Aktionäre in meisten Unternehmen mit den Vergütungsberichten sehr zufrieden sind. Dies ist besonders bemerkenswert, da das Thema Vorstandsvergütung sehr emotional sein kann und die Zustimmungsquoten im Rahmen eines Say-on-Pay in vielen Unternehmen generell unterhalb der anderer Tagesordnungspunkte liegt. Die fehlende unternehmensübergreifende Vergleichbarkeit der Vergütungshöhen scheint die Aktionäre weniger zu stören. Wichtiger ist offensichtlich die erhöhte Transparenz zur Vorstandsvergütung des eigenen Unternehmens.

Bei den beiden Unternehmen, bei den der Vergütungsbericht durch die Aktionäre abgelehnt wurde (Bayer AG und HelloFresh SE), zeigt sich ein unterschiedliches Bild.

Bei der Bayer AG war die Ablehnung zu erwarten, da laut Medienberichten bereits im Vorfeld der Hauptversammlung seitens vieler Fondgesellschaften sowie der Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis eine deutliche Kritik an der Höhe und Ausgestaltung der Vergütung der Vorstandsmitglieder laut wurde. Die Ablehnung des Vergütungsberichts durch die Aktionäre diente also hauptsächlich dazu, Druck auf das Unternehmen bzw. den Aufsichtsrat mit dem Ziel auszuüben, dass das Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder geändert wird. Es bleibt abzuwarten, ob der Aufsichtsrat diesem Druck nachgibt und ein neues Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder beschließt. Dieses müsste dann auf der nächsten Hauptversammlung den Aktionären zur Abstimmung vorgelegt werden.

Bei der HelloFresh SE hat die Ablehnung des Vergütungsberichts durch die Aktionäre überrascht, da es laut Medienberichten weder im Vorfeld der Hauptversammlung noch im Rahmen der Fragerunde auf der Hauptversammlung dazu kritische Anmerkungen gab.

Fazit

Mit der diesjährigen Hauptversammlungs-Saison hat sich das Thema Vorstandsvergütung über die verpflichtende Abstimmung zum Vergütungsbericht als fester jährlicher Teil der Hauptversammlung etabliert.

Die Zufriedenheit der Aktionäre mit den Vergütungsberichten ist insgesamt sehr groß. Ob eine bessere unternehmensübergreifende Vergleichbarkeit der Vergütungshöhen zu einer noch höheren Zustimmung führen würde, bleibt abzuwarten, bis – möglicherweise auf EU-Ebene – dazu neue Regelungen erlassen werden.

Insbesondere die Ablehnung des Vergütungsberichts bei der Bayer AG zeigt, dass die Aktionäre die Abstimmung tatsächlich zum Anlass nehmen, Druck auf das Unternehmen bzw. den Aufsichtsrat auszuüben, wenn das Vergütungssystem aus ihrer Sicht nicht passt. Insofern dient die Ablehnung des Vergütungsberichts bei der Bayer AG auch als „Role Model“ für das, was auch auf andere Unternehmen in den nächsten Jahren zukommen kann.

Aus diesem Grunde sind die Unternehmen gut beraten, beim Thema Vorstandsvergütung einen regelmäßigen Austausch mit den Aktionären zu suchen und mögliche Bedenken frühzeitig aufzunehmen. Ein reines Erfüllen der Anforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) reicht nicht aus. Vielmehr muss den Aktionären aufgezeigt werden, warum das verwendete Vergütungssystem ihre Interessen am besten berücksichtigt, selbst wenn es möglicherweise nicht jede Anforderung des DCGK erfüllt.