Die diesjährige Hauptversammlungssaison hat gezeigt, dass institutionelle Investoren immer mehr Einfluss auf wichtige Themen der Corporate Governance nehmen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vergütung der Mitglieder des Vorstands. Neben einem direkten Austausch mit dem Aufsichtsrat stellt die Abstimmung über das System der Vorstandsvergütung auf der Hauptversammlung (Say-on-Pay) eine wichtige Möglichkeit der Einflussnahme dar. Unterstützt werden die Investoren bezüglich der Abstimmung auf der Hauptversammlung von sogenannten Stimmrechtsberatern (Proxy Advisors).
Die Stimmrechtsberater geben ihren Kunden – z. B. Investment- oder Pensionsfonds – Vorschläge, wie sie zu den einzelnen Tagesordnungspunkten auf der Hauptversammlung stimmen sollen. Als Basis hierfür haben die Stimmrechtsberater zusammen mit Investoren Corporate Governance Richtlinien sowie Abstimmungsrichtlinien (Proxy Voting Guidelines) entwickelt. Dadurch, dass die Investoren über eine Art Comply-or-Explain-Regelung an die Empfehlungen der Stimmrechtsberater gebunden sind, haben diese in den letzten Jahren deutlich an Einfluss gewonnen. Insbesondere in Ländern, in denen es ein bindendes Say-on-Pay gibt, ist auch der Einfluss auf die Vergütung des Top Managements entsprechend gestiegen.
Um herauszufinden, welche Anforderungen die Stimmrechtsberater an das Thema Vorstandsvergütung stellen, wurde eine Analyse der Corporate Governance- und Abstimmungsrichtlinien der beiden mit Abstand bedeutendsten Anbieter am Markt – Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis – durchgeführt.
Zusammenfassend ergeben sich daraus folgende Anforderungen an das Thema Vorstandsvergütung:
Festlegung der Vorstandsvergütung
- Unabhängigkeit des Personalausschusses/Compensation Committee
- Jährliches Say-on Pay
Transparenz der Vorstandsvergütung
- Individueller Ausweis der Vergütung und Nutzung DCGK Mustertabellen
- Verständliche und umfassende Informationen zum Vergütungssystem, insbesondere
- Höhe der Begrenzung (Cap) der variablen Vergütungsbestandteile
- Erfolgsziele
- Langfristvergütung (LTI)/aktienbasierten Vergütung:
- Tag der Gewährung
- Laufzeit/Haltefrist
- Ausübungspreis
- Diskretionäre Zahlungen
- Ausführliche Begründung signifikanter Vergütungssteigerungen
Angemessenheit der Vorstandsvergütung
- Angemessene Vergütungshöhen im Vergleich zu Mitbewerber (Branche), Unternehmensperformance, Marktpraxis (Land)
Ausgestaltung der variablen Vergütung
- Hohe Performance-Orientierung (Pay-for-Performance)
- Schwerpunkt auf mehrjährige variable Vergütung
- Begrenzung (Cap) der variablen Vergütung
- Keine Garantieboni
- Keine diskretionäre Komponente
- Keine Anpassung von Zielen nach unten
Beendigung der Vorstandstätigkeit
- Keine Regelungen (bAV, LTI) die Nachteile für Aktionäre bringen oder gegen die Marktpraxis verstoßen
- Begrenzung der Abfindung auf maximal zwei Jahresgehälter (Abfindungscap)
Werden diese Anforderungen ganz oder teilweise nicht erfüllt, empfehlen die Stimmrechtsberater eine Ablehnung des Say-on-Pay oder auch eine Ablehnung der Entlastung des Aufsichtsrats. Im Extremfall sollen die Investoren auf eine Neubesetzung des Personalauschusses oder auf eine Neuwahl des Aufsichtsrats dringen.
Insgesamt ist festzustellen, dass die Forderungen der Stimmrechtsberater teilweise sehr allgemein gehalten sind, aber im Grundsatz weitestgehend mit dem deutschen Aktiengesetz bzw. dem deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) konform gehen. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob ein Vergütungssystem tatsächlich alle Anforderungen erfüllt. Für die deutschen Unternehmen wird die Relevanz der Stimmrechtsberater mit der Umsetzung der EU-Aktionärsrechterichtlinie und einem möglicherweise daraus resultierendem rechtlich bindenden Say-on-Pay künftig noch zunehmen.